Im Bauernhäus'l in Meißen stammt alles aus der Region: die Zutaten, der Wein, ja selbst das Geschirr. Alles echt sächsisch und dabei offen für Neues. So wie auch die beiden Wirte.
Wer sich dem Bauernhäus'l nähert, kann sich auf seine Nase verlassen - wird geleitet vom Duft von Entenbraten, frischem Kuchen. Oder knusprigem Brot. Je nach Jahres- und Tageszeit.
Der Gastraum strahlt Geschichte aus. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1639, seit 1850 wird Wein ausgeschenkt. Zinnteller und -kannen aus vergangenen Jahrhunderten hängen an Decken und Wänden. Bilder, Porzellan - alles aus der Gegend. "Früher haben die Gäste auch mal mit Naturalien bezahlt, und immer noch bringen mir Leute Erbstücke als Geschenk vorbei", erzählt Frank Handrick. Er ist sozusagen im Bauernhäus'l aufgewachsen, seine Mutter arbeitete dort ab den 1960er Jahren als Beiköchin. Frank half aus, entlud die Ware, belegte kalte Platten und packte im Weinberg mit an, der bis 2005 dazugehörte.
Dort, wo früher Kühe und Schafe standen, werden heute Gäste bewirtet. Die Dielen sind abgetreten, die Decken niedrig. Tische und Stühle sind aus dunklem Holz, geheizt wird mit dem Kachelofen. Morgen fachte Frank Handrick das Feuer an, nach etwa zwei Stunden ist es warm. Er hat Koch gelernt, danach in Leipzig an der Fachhochschule für Gastronomie Betriebswirtschaft studiert. Nach der Wende übernahm er mit seiner Frau Beate die Gastwirtschaft, die damals der Stadt Meißen gehörte.
"Wir haben nur Toiletten eingebaut und die Küche modernisiert, der Rest der Einrichtung ist noch im Originalzustand", sagt Frank Handrick stolz. Er hat inzwischen mit seiner Frau, einer gelernten Serviererin, die Rollen getauscht, kümmert sich gemeinsam mit der zuverlässigen Servierkraft Cathrin um die Gäste. Die Küche ist Beates Reich, doch mittlerweile wird sie von ihrem Sohn Cécil tatkräftig unterstützt. Die beiden kochen mit Produkten aus der Region, befreundete Jäger bringen frisches Wild, ein Fischer liefert Zander und Forellen, das Fleisch stammt aus einer Meißner Schlachterei, und die Gänse wachsen beim Züchter um die Ecke auf. Sie legen Wert auf Tradition, servierten zu Beginn fast ausschließlich sächsische Gerichte. Inzwischen haben sie das Angebot erweitert, international angehauchte Gerichte stehen ebenfalls auf der Karte.
"Wir haben viele Stammgäste, die die Klassiker selbst zu Hause kochen und von uns auch Abwechslung erwarten", erklärt Frank Handrick. "Deshalb probieren wir auch regelmäßig neue Sachen aus." So wie die knusprige Ente mit Honig und sächsischem Rotwein, im Steinbackofen gebraten - die Spezialität des Hauses. Dazu gibt es Schnippelbohnen oder Rotkohl mit Schattenmorellen und Kartoffelklöße, sächsische natürlich. Anders als in Thüringen verwendet Beate Handrick nur gekochte Kartoffeln. "Die sächsische Küche ist einfach, bodenständig und deftig", erzählt die Köchin. "und hier in der Gegend gehört natürlich auch ein gutes Glas Wein dazu."
Seit 1995 trägt das Bauernhäus'l das Gütesiegel "Besonders empfohlen an der Sächsischen Weinstraße", die das kleinste deutsche Weinanbaugebiet durchzieht. Der Weinbau hat in Sachsen eine lange Tradition, die erste Urkunde stammt aus dem Jahr 1161, vermutlich wurden aber auch schon vorher Trauben gekeltert. Die sächsischen Reben wachsen rechts der Elbe auf kleinen, teilweise extrem steilen Hängen. Vor allem die Sorten Müller-Thurgau, Riesling und Weißburgunder fühlen sich wohl. Die sächsischen Weine sind traditionell trocken und enthalten meist weniger Alkohol als in anderen Regionen.
Die Weinstraße führt von Pirna, dem "Tor zur Sächsischen Schweiz" über Dresden, Radebeul und Meißen bis nach Diesbar-Seußlitz. Von den Höhen der Weinberge bieten sich immer wieder spektakuläre Blicke auf die schroffen Felsen der Sächsischen Schweiz und die massiven Tafelberge und natürlich auf die Elbe, die sich gemächlich durch die hügelige Landschaft schlängelt.
Seit 2004 kann man die Weinstraße auch erwandern, 90 Kilometer misst die Gesamtstrecke, verteilt auf sechs Etappen von jeweils 15 bis 18 Kilometern. Die fünfte Tour führt von Oberau nach Meißen, direkt am Bauernhäus'l vorbei durch das sogenannte Spaargebirge. Das kleinste sächsische Gebirge ist nur rund drei Kilometer lang und rund 200 Meter breit und seit Jahrhunderten an den Hängen von Wein bewachsen. Vom Aussichtspunkt Deutsche Bosel, 182 Meter hoch, blickt man an klaren Tagen bis zu den Türmen der Stadt Dresden und den Hügeln der Sächsischen Schweiz.
Mit seiner leuchtend gelb getünchten Fassade strahlt das Bauernhäus'l schon von Weitem Wärme aus. Auf der Rückseite sieht man noch das alte Fachwerk. Früher galten die Bewohner von Fachwerkhäusern als arm, deshalb haben die Vorbesitzer die Straßenfront verputzt. Heute machen die alten Dielen den besonderen Charme des Gasthauses aus. "Seit es den Wanderweg gibt, ist vor allem an den Wochenenden ganz schön was los", erzählt Frank Handrick.
Sind die Plätze in der Stube besetzt, bewirtet Handrick seine Gäste im Weinkeller, einem gemauerten Gewölbe mit offenem Kamin. Hier lädt er auch zur Weinprobe. Seine Auswahl stammt von den kleinen und großen Weingütern in der nahen Umgebung: Landweine stehen ebenso auf der Karte wie ein Eiswein vom Weingut Vincenz Richter. Regelmäßig wechselt er sein Angebot und probiert die neuen Jahrgänge.
Neben dem Wein verbindet Frank Handrick noch eine andere Leidenschaft mit seiner Heimatstadt Meißen: Seit 300 Jahren liefert die weltberühmte Manufaktur handgemaltes Porzellan in die ganze Welt. Schon früh begann Handrick privat Geschirr zu sammeln. Anfang der 1990er Jahre erstand er in einem Werksverkauf kistenweise Teller, Schüsseln, Kannen, Tassen mit den berühmten gekreuzten Säbeln zu günstigen Konditionen. Seitdem wird im Bauernhäus'l ausschließlich von Meißner Porzellan gegessen - vor allem für auswärtige Touristen eine Attraktion.
Dieser hier zitierte Text wurde im Januar 2011 auf Seite 74-77 des Magazins Daheim-in-Deutschland veröffentlicht.
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